Mit einem neuen Vorstand startete der FM-Verband gefma in die Post-Covid-Zeit. Der Vorstandsvorsitzende Wolf-Dieter Adlhoch erklärt im Interview mit „Der Facility Manager“, wohin die Reise gehen soll.
Herr Adlhoch, Ihre ersten 100 Tage im Amt als gefma-Vorstandsvorsitzender sind vorbei. Welche Veränderungen in den Aufgaben hat der Schritt an die Verbandsspitze für Sie mitgebracht?
Ich war ja schon eine Legislaturperiode Mitglied des Vorstands. Neu ist jetzt, dass ich die Verantwortung habe, das gefma-Team zu koordinieren: den neuen Vorstand, die vielen Arbeitskreise und Lounges und unsere kleine, feine Geschäftsstelle mit den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die gefma ist ein toller Verband und einmalig in der Art der Zusammensetzung ihrer Mitglieder, sodass es Spaß macht, mit dem Team zu arbeiten.
Die Themenfelder und Herausforderungen, die die Akteure im Facility Management derzeit umtreiben, sind ja geradezu überwältigend: Klimaschutz und Energiekrise, ESG und EU-Taxonomie, Fachkräftemangel und Digitalisierung. Dazu kommen die hohe Inflation und eine drohende Rezession. Welche Gestaltungmöglichkeiten haben Sie hier im Verband?
Das Thema Dekarbonisierung geht hier durch alle Mitgliedergruppen als To-do. Dafür braucht es zuerst einmal Datentransparenz zum Ist-Zustand und dann Ideen: für kurzfristige Maßnahmen zur Betriebsoptimierung und für mittelfristige Maßnahmen, etwa durch Umbauten oder Retrofit-Lösungen. Langfristig stellt sich die Frage, wie wir an Neubauten herangehen. Mit gefma fokussieren wir uns auf den Betrieb von Bestandsimmobilien, denn 70 bis 85 Prozent der Lebenszykluskosten und 80 Prozent der verursachten CO2-Emissionen von Gebäuden entstehen dort. Dabei sind wir kein reiner Lobbyverband. Viele Dienstleister sind zwar als Mitglieder dabei, aber wir haben ebenso die Nutzerperspektive aus Wirtschaft und öffentlicher Hand wie auch die Perspektive von Lehre und Forschung sowie der Beratung. Das ist ein unheimlich starker Faktor mit Blick auf den Lifecycle einer Immobilie und da wollen wir anpacken.
Das sind aber viele Ebenen, auf denen Sie ansetzen müssen.
Absolut. Die Komplexität ist eine Herausforderung. Inhaltlich haben wir deshalb die Strategie geschärft rund um die Prioritätsthemen Personal, Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Es gibt viele Antworten und Lösungen, die kurzfristig umsetzbar sind, sodass wir neben der wissenschaftlichen, strukturierten und langfristigen Diskussion auch mit ganz konkreten Empfehlungen und umsetzbaren Lösungsvorschlägen an den Markt herantreten wollen.
Wie sehen diese aus?
Wir bieten ein Netzwerk, das Orientierung gibt und eine Plattform bereitstellt. So entsteht ein gemeinsames Verständnis für den Bedarf auf der Anwenderseite. Dann leistet das gefma-Richtlinienwesen einen wesentlichen Beitrag zur praktischen Umsetzung der vielen Themen. Weitere Orientierung bieten die gefma-Zertifizierungen wie beispielsweise gefma-SustainFM im Hinblick auf Nachhaltigkeitsfragen. Und vielleicht schaffen wir es ja, dass die Standards, die wir in unserem sehr reifen Immobilienmarkt mit viel Know-how „Made in Germany“ entwickeln, auch europaweit eine Rolle spielen. Denn ein Teil der Regulatorik kommt ja aus der EU.
Wie schätzen Sie die Akzeptanz für deutsches Regelwerk im europäischen Ausland ein?
Solange die Diskussionen theoretisch bleiben, werden uns alle kritisch beäugen. Aber in dem Moment, in dem ein Regelwerk in der Praxis funktioniert und alle Beteiligten einen Mehrwert darin sehen, kann es auch ein Vorbild sein. Die Herausforderungen, die wir derzeit haben, lassen sich nur gemeinsam bewältigen. Wenn wir ein strategisches partnerschaftliches Verhältnis zwischen dem Immobilienerrichter, dem Immobilieneigentümer und dem Immobilienbetreiber erreichen, wird das gelingen. Ein permanentes Gegeneinander macht keinen Sinn.
Das erfordert dann aber einen Wandel in den bisherigen Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehungen.
Ich kann und will nicht die Regeln des Wettbewerbs und des Marktes außer Kraft setzen. Aber wenn wir den Preisvergleich gemacht und uns für ein Konzept entschieden haben, müssen wir künftig auf eine Laufzeit von vier, fünf oder noch besser sechs Jahren abzielen und nicht auf kurzfristige Verträge. Sonst kommen wir da nicht gemeinsam hin. Wenn sich alle auf die Ideen des Regelwerks, wie zum Beispiel beim Thema der Betreiberverantwortung, einigen können, haben wir etwas, das allen Zeit und Verdruss erspart.
Vielleicht geht dabei manches nicht ganz so schnell, wie wir uns das manchmal wünschen. Doch obwohl die Richtlinienarbeit komplett ehrenamtlich stattfindet, haben wir in den letzten zwölf bis 18 Monaten viel geschafft. Die ersten praktischen Umsetzungen in Deutschland zeigen, dass die Themen funktionieren. Ich kann das für mein Unternehmen Dussmann sagen, weiß aber auch, dass das bei anderen Unternehmen ebenfalls so gehandhabt wird. Und die Nutzerseite denkt in die gleiche Richtung: Bosch oder BASF, die in den Arbeitsgruppen ebenfalls dabei sind, haben den gleichen Anflug auf das Thema.
Laut einer Lünendonk-Blitzumfrage vom Dezember rechnet die Facility-Services-Branche mit einem Wachstum von über 6 Prozent in 2023. Woher nimmt die Dienstleistungsbranche diesen Optimismus angesichts einer drohenden Rezession?
Das ist kein uneingeschränkter Optimismus. Wir sehen auch, dass es in einigen Bereichen Reduzierungen geben wird. Im Catering wird der Markt nur noch auf 80 bis 90 Prozent des Vor-Corona-Niveaus zurückkommen, vermuten viele. Im technischen Bereich gibt es dagegen ein starkes Wachstum. Die Themen Qualität, Hygiene und Sauberkeit haben durch die Pandemie bedingt zugenommen. Und immer, wenn die Wirtschaft in einer Situation ist, die mit Krisenelementen behaftet ist, fragen Unternehmen nach Effizienzsteigerungsmaßnahmen. Sie spielen mit dem Gedanken, das, was man bisher selbst gemacht hat, an einen Profi abzugeben, der das über seine Economies of Scale kostengünstiger abbilden kann. Das resultiert dann ein Stück weit in einer Outsourcing-Logik und führt zu einem Wachstumstrend im Facility Management. Last but not least wirkt auch hier das Thema Inflation und Lohnkostensteigerung. Das heißt, ein Teil des prognostizierten Wachstums resultiert aus Kostensteigerungen, ohne dass mehr gereinigt, gekocht oder gewartet wird.
Haben Sie die Sorge, dass die zuletzt positive Sicht auf das Facility Management mit dem Auslaufen jeglicher Corona-Maßnahmen schnell wieder in Vergessenheit gerät?
Ich glaube nicht, dass das in Vergessenheit gerät. Viele der Erfahrungen aus dieser Zeit werden nachwirken und für ein zukünftiges Grundinteresse sorgen. Gerade bei vielen jüngeren Menschen hat sich die Corona-Epidemie eingebrannt. Das New Normal ist anders als der Zustand vorher. Das Qualitätsbedürfnis für Hygiene, für Sauberkeit, für gesunde Ernährung wird sich durchsetzen, verbunden mit dem Grundverständnis, dass das am Ende auch Geld kostet.
Dann bleibt uns auch New Work dauerhaft erhalten?
Für das Thema New Work ist die FM-Branche ein wesentlicher Enabler. Jedes Unternehmen stellt sich aus Arbeitgeber- und HR-Sicht die Frage, wie New Work organisiert wird, und welche Anforderungen an den physischen und den virtuellen Arbeitsplatz damit verbunden sind. Der Vorteil der FM-Branche ist, dass wir die Arbeitsplätze bei ganz vielen unterschiedlichen Arbeitgebern kennen. Die Vielfalt der Modelle wird dabei weiter zunehmen, und dafür brauche ich Angebote und Lösungen. Das ist eine der wesentlichen Aufgaben des Facility Managements.
Werden die Facility-Services-Anbieter künftig Homeoffice-Arbeitsplätze der Mitarbeitenden bei ihren Kunden mitgestalten und mit Dienstleistungen versorgen?
Das ist eine spannende Frage, die wir im Arbeitskreis Workplace der gefma ausführlich diskutiert haben. Dazu entsteht auch gerade ein Whitepaper. Mit dem Unterschied zwischen mobilem Arbeiten und Telearbeitsplätzen gemäß den hohen Arbeitsschutzstandards gibt es da einige regulatorische Herausforderungen. Hinzu kommt der dezentrale Ansatz mit allen individuellen Unterschiedlichkeiten bei den einzelnen Mitarbeitenden. Das Problem liegt vorrangig in der Kleinteiligkeit: Jeder Nutzende oder Mitarbeitende auf Seiten der Kunden will selbst entscheiden, was er oder sie braucht. Themen wie Reinigungsangebote im Homeoffice funktionieren dadurch in der Praxis nicht. Auch bei Verpflegungsservices ist die dezentrale Komponente das Problem: 20 Kilometer Fahrtstrecke für fünf Minuten Service-Erbringung sind nie rentabel und effizient.
Stichwort Personal: Was sind die Stoßrichtungen für die nächsten Jahre?
Das sind Mitarbeitergewinnung und Mitarbeiterbindung: Wie bekommen wir als FM-Branche heute Mitarbeitende aus anderen Branchen, die ins FM wechseln wollen, weil in der alten Branche beispielsweise Personal abgebaut wird? Wie bekommen wir Mitarbeitende aus anderen Bereichen, weil wir das bessere Jobangebot und das bessere Branchenimage haben? Da müssen wir uns ja nicht verstecken, mit dem was wir anzubieten haben. Und wie gelingt es uns, qualifizierte Mitarbeitende dauerhaft zu binden, im Einklang mit den persönlichen Lebensentwürfen? Dafür brauchen wir auf der Arbeitgeberseite eine große Flexibilität.
Wie kann diese Flexibilität in der Praxis aussehen?
Mit Teilzeitmodellen kann man viel bewirken. Das Thema Jobsharing für Führungskräfte ist ein Beispiel, aber für viele noch mit Skepsis behaftet. Diese Herausforderung müssen wir lösen, indem wir den Kunden beispielsweise näherbringen, dass sich zwei Führungskräfte in Teilzeit um sie kümmern und nicht eine Vollzeitkraft. Das ermöglicht dann auch einen guten Wiedereinstieg nach einer Kinderpause.
Entsprechend wollen wir uns im Verband auch dem Thema Talent-Management und Führungskräfteentwicklung für Frauen widmen, mit der klaren Zielsetzung, mehr weibliche Führungskräfte zu entwickeln. Das ist manchmal nicht ganz einfach, weil solche Initiativen ja unternehmens- und institutionsübergreifend sind und dann die Angst vor gegenseitiger Abwerbung groß ist. Dieser Ansatz kommt der gesamten Branche zugute, und wenn wir das gut machen, werden wir auch endlich mehr weibliche Führungskräfte im FM sehen.
Sehen Sie bei der Fridays-for-Future-Generation, die an den Schulen auf dem Weg in die Hochschul- oder Berufsausbildung ist, einen Trend zu umwelt- und klimaschutzbezogenen Berufswünschen?
Das ist eine total gute Gelegenheit, junge Menschen für unsere Themen abzuholen. Dort kann man viele erreichen, die ein ehrliches Interesse an einer sachlichen Diskussion haben. Und ich kann sie vielleicht dazu bringen, über das Demonstrieren hinaus, das ja absolut seine Berechtigung hat, auch aktiv zu werden, anzupacken und mit an Lösungen zu arbeiten. In diesem Sinne gestalten bereits viele Menschen aktiv den Dekarbonisierungspfad bei unseren Mitgliedsunternehmen mit, zum Beispiel mit einer Abkehr von Fleisch im Catering. Das wirkt dann wieder nachhaltig auf weitere Menschen, solange es sachlich argumentiert ist und gut schmeckt, um beim Catering-Beispiel zu bleiben.
Wie ist Ihre Position beim Thema Zuwanderung von Fachkräften?
Das ist und bleibt eine entscheidende Frage: Es gibt viele gute Regelungen und Initiativen, die aber aus Sicht unseres Verbands nicht ausreichend gut funktionieren. Hier brauchen wir mehr Präzision und mehr Pragmatismus. Die Frage von Staatsbürgerschaften und Einbürgerung stellt sich erst, wenn ich die Herausforderung gelöst habe, Menschen mit den notwendigen Qualifikationen und Sprachkenntnissen hierher zu bekommen. Selbst wenn wir seitens des Unternehmens alle Rahmenbedingungen realisiert haben, kann es passieren, dass die Visumserteilung sechs bis acht Monate dauert.
Wo rekrutieren Sie im Ausland?
Das ist relativ breit. Deshalb kann ich nur Beispiele nennen. Es gibt in Vietnam im technischen Bereich, im Catering und auch im Pflegebereich sehr gute Qualifikationsprogramme sowie Menschen, die wirklich Lust und Spaß an den Jobs haben. Im Verband haben wir Unternehmen, die Mitarbeiter für Technik und Gebäudereinigung aus Albanien rekrutiert haben. In beiden Ländern hat es übrigens mit der Visums-Erteilung ausgezeichnet funktioniert. Da hat die Deutsche Botschaft absolut serviceorientiert gearbeitet.
Was werden Ihre persönlichen Schwerpunkte in der Verbandsarbeit in den nächsten Jahren sein?
Ich will mich dafür einsetzen, dass wir das FM-Branchen-Image weiter stärken. Dass wir klarmachen, dass das FM Teil der Lösung für die großen Herausforderungen der Immobilienbranche ist. Dafür will ich ansprechbar sein, zuhören und dann Impulse geben.
Wie soll die Arbeit am Branchen-Image konkret aussehen?
Ich glaube, dass wir kommunikativ unheimlich viel Potenzial haben, das uns in den sozialen Medien helfen kann. Dort müssen wir die Menschen, die in der Branche arbeiten, für die Branche sprechen lassen. Dafür muss es aber selbstverständlich sein, dass wir uns auch so verhalten, dass die Menschen gut über uns sprechen. Das ist eine Frage der Führungskultur in den FM-Unternehmen und in den FM-Bereichen bei den Corporates, in der Immobilienwirtschaft oder bei der öffentlichen Hand. Wenn es dort eine wertschätzende Führungskultur gibt, werden die Menschen auch mit Stolz und Freude über die Branche sprechen. Da sind wir mitten in den S- und G-Themen von ESG. Eine solche Haltung geht auch weit über die reinen Fragen der Vergütung oder der Weiterentwicklungsmöglichkeiten hinaus. Und sie gilt ausdrücklich nicht nur für die Dienstleistungsseite, sondern für alle, die im FM beschäftigt sind.
Robert Altmannshofer